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Innovative Konzepte und Szenarien aus dem Lehrlabor

Inverted Classroom mit wöchentlichen Wissenstests

Dem Prinzip des Inverted Classroom folgend wird das Modul “Formale Grundlagen der Informatik 1” neu gestaltet, das erfahrungsgemäß eine große Herausforderung für die Studierenden darstellt. Zentraler Ansatzpunkt ist der Ersatz der Nachbereitungsphase durch eine Vorbereitungsphase mit anschließenden Selbsttests, um die Studierenden zu einer möglichst frühen, eigenständigen Auseinandersetzung mit dem Lernstoff zu aktivieren und die Zeit in Vorlesung und Übung besser nutzen zu können.

Metadaten

  • Lehrende: Heitmann, Frank/Köhler-Bußmeier, Michael
  • CC-Lizenz: CC-BY (Bearbeitung erlaubt unter Namensnennung)
  • Zitiervorschlag:
    Heitmann, Frank/Köhler-Bußmeier, Michael (2020): Inverted Classroom mit wöchentlichen Wissenstests. Hamburg: StoryPool. URL:

Maßnahme

Die Methode des Flipped/Inverted Classroom wird erstmals im Modul "Formale Grundlagen der Informatik" eingesetzt. Während der Stoff normalerweise in der Präsenzzeit präsentiert und dann anschließend wiederholt oder geübt wird, wird hier die Nachbereitungsphase durch eine Vorbereitungsphase ersetzt, mit dem Ziel, die Studierenden frühzeitig zu aktivieren, sich eigenständig mit den Inhalten auseinanderzusetzen.

Für die Vorbereitungsphase der Studierenden wird ein spezieller Lesestoff entwickelt, der wöchentlich erscheint und die beiden Vorlesungen der jeweiligen Woche vorbereitet. Die eigentliche Vorlesung sollte dann so genutzt werden, dass nicht noch einmal die vorbereiteten Inhalte durchgegangen werden, um den Eindruck zu vermeiden, der Lesestoff müsse gar nicht bearbeitet werden. Beispielsweise könnten Aufgaben im Plenum bearbeitet oder bestimmte Herangehensweisen diskutiert werden.

Damit die Studierenden sich tatsächlich vorher mit dem Stoff auseinandersetzen, sollen sie (ebenfalls vor der Vorlesung) ihren Lernerfolg mit einem Online-Selbsttest überprüfen. Dafür wurde ein Fragenkatalog entwickelt und in das E-Learning-System OLAT (Universität Hamburg) eingebunden.
Die Fragen der jeweiligen Woche müssen vor der ersten Vorlesung der Woche bearbeitet werden, können aber beliebig oft wiederholt werden, so dass ein Nichtbestehen faktisch ausgeschlossen ist. Somit werden die Studierenden bei der Einschätzung ihres Erfolges in der Vorbereitungsphase unterstützt und auch „gezwungen“, sich wirklich mit dem Lesestoff auseinanderzusetzen.
Eine anonyme Auswertung der Selbsttests, sofern diese online durchgeführt werden, könnte genutzt werden, um gezielt Problemfelder zu erkennen und diese dann in der Vorlesung zu adressieren.

Verbindung zum klassischen Lehrformat:

  • Vorlesung
  • Seminar
  • Übung
  • Projekt
  • Praktikum
  • Prüfung
  • Selbststudium
  • Vorkurs
  • Sonstiges

Mit dieser Maßnahme werden primär gefördert:

  • Rezeptive Aktivitäten (Lesen, Anschauen, Zuhören)
  • Übende Aktivitäten (Ausprobieren, Routinebildung etc.)
  • Produktive Aktivitäten (Schaffung eigener Inhalte)
  • Organisatorische Aktivitäten (Koordination, Vernetzung etc.)

Rolle von digitalen Medien:

  • Keine nennenswerte Rolle (bspw. primär Präsenzlehre)
  • Eine gewisse bzw. mäßige Rolle (bspw. hybrides Lehrformat)
  • Eine zentrale Rolle (bspw. Online-Lehre)

Beziehung zur Forschung:

  • Forschung fließt als Inhalt ein (Studierende können sich zu Ergebnissen und/oder Prozessen des Forschens kundig machen)
  • Forschung ist das Ziel der Lehrmaßnahme (Studierende üben das Hand- und Denkwerkzeug für eigene Forschungsaktivitäten ein)
  • Forschung ist der Modus der Lehrmaßnahme (Studierende werden selbst forschend tätig)
  • Die Lehrmaßnahme dient dazu, die Voraussetzung für forschungsnahes Lernen zu schaffen.
  • Sonstige
  • Keine

Verortung im didaktischen Dreieck:

  • Inhalte für die Studierenden auswählen, anordnen, darstellen, erklären, (digital) aufbereiten, interaktiv machen etc.
  • Studierende methodisch darin unterstützen, sich Inhalte (allein oder in der Gruppe) anzueignen, zu verstehen, anzuwenden, weiterzuentwickeln, selbst zu generieren etc.
  • Als Lehrende*r mit den Studierenden in Kontakt kommen und in Interaktion treten (Feedback, Kommunikation etc.)
  • Die Lehrorganisation verändern, die für die Beziehung zwischen Inhalten, Studierenden und mir als Lehrende*r von Bedeutung ist

Grund

Die Lerninhalte im Modul "Formale Grundlagen der Informatik 1" werden von den Studierenden aller Erfahrung nach aufgrund des hohen Abstraktionsgrads zumeist als schwierig bis sehr schwierig empfunden.
Problematisch ist auch, dass die aktive Auseinandersetzung der Studierenden mit dem Stoff beim klassischen Modell erst nach der Vorlesung und oft sogar erst nach den Übungen - also mit Bearbeitung der Hausaufgaben - einsetzt, wodurch die Lehrveranstaltungszeit sehr ineffizient genutzt wird.
Der gewünschte Effekt des Inverted Classroom ist, dass die Studierenden der Vorlesung besser folgen können und dass sie in den Übungen aktiver mitarbeiten können und nicht erst hier (wie sonst leider oft üblich) der Stoff noch einmal von den Übungsgruppenleiter*innen präsentiert werden muss.

Grund für die Entwicklung:

  • Akutes Defizit bzw. akuter Konflikt
  • Bestehendes bzw. strukturelles Problem
  • Vorweggenommene Herausforderung
  • Persönliches professionelles Anliegen
  • Impuls aus meinem Umfeld
  • Sonstiges

Kontext

Das Pflichtmodul "Formale Grundlagen der Informatik 1" (FGI-1) behandelt die theoretischen Grundlagen der Informatik und ist damit die Basis der meisten fortführenden Veranstaltungen. Es besteht aus einem Vorlesungsteil im Umfang von vier SWS und einer Übung im Umfang von zwei SWS und wird von ca. 300-400 Studierenden besucht, typischerweise im 2. Semester.

Diese Maßnahme wurde mit Mitteln des BMBF unter dem Förderkennzeichen 01PL17033 im Rahmen des Lehrlabors (Universitätskolleg, Universität Hamburg) entwickelt.

Projekttitel: "Konzeption und Durchführung des Inverted-Classroom-Ansatzes für die Lehre im Pflichtmodul Formale Grundlagen der Informatik"
Förderzeitraum: 01.04.2013 - 30.09.2013

Meine Maßnahme ist entstanden und hat sich bewährt an einer:

  • Universität
  • Fachhochschule
  • Dualen Hochschule
  • Pädagogischen Hochschule
  • Sonstiges

Meine Maßnahme ist in folgender Disziplin (oder mehreren) zu verorten:

  • Mathematik, Informatik, Naturwissenschaften
  • Ingenieurwissenschaften
  • Wirtschafts- und Sozialwissenschaften
  • Geisteswissenschaften
  • Lehrerbildung
  • Rechtswissenschaften
  • Kunst, Design-Wissenschaften
  • Medizin (inkl. Gesundheitswissenschaften)
  • Interdisziplinäre Bereiche
  • Sonstiges

Primäre Zielgruppe meiner Maßnahme:

  • Studieninteressierte
  • Studienanfänger*innen
  • Fortgeschrittene Studierende im Bachelor (oder 1. Studienabschnitt)
  • Studierende am Ende des Bachelorstudiums (oder 1. Studienabschnitts)
  • Studierende im Masterstudium (oder 2. Studienabschnitt)
  • Doktoranden oder Postdocs

Kräfte

In der Informatik stellt, wie in den meisten MINT-Fächern, die mathematische und formale Ausbildung in der Studieneingangsphase eine große Herausforderung für die Studierenden dar. Die Hürden liegen dabei im Abstraktionsgrad, aber auch in der universitären Methodik, die im Vergleich zur Schule ein sehr viel größeres Maß an eigenständiger Auseinandersetzung mit den Inhalten verlangt.
Abgesehen von grundlegenden mathematischen Konzepten wie Funktionen und Relationen sind die Inhalte des Moduls FGI-1 den Studierenden größtenteils neu und aller Erfahrung nach wird FGI-1 von den Studierenden aufgrund des hohen Abstraktionsgrades als schwierig bis sehr schwierig empfunden.

Widersprüchliche Anforderungen, die bei der Maßnahme eine Rolle spielen:

  • Selbst- und Fremdorganisation
  • Lernen durch Zuhören/Lesen/Zusehen und Lernen durch eigenes Tun
  • Analoge und digitale Erfahrungswelten
  • Individuelles und soziales Lernen
  • Fachliche und überfachliche Kompetenzentwicklung
  • Exemplarische und vollständige Lerninhalte
  • Fachsystematische und lernsystematische Vorgehensweisen
  • Sonstige
  • Keine

Wirkungen

- Die Aktivierung der Studierenden ist gelungen: Sie sind aktiver in der Vorlesung und in der Übung besser vorbereitet (wichtige Begriffe der Woche waren überwiegend bekannt).
- Das Klausurergebnis war gegenüber den Vorjahren leicht verbessert, es ist aber unklar, ob der Effekt allein auf das neue Lernkonzept zurückgeht.
- Die Studierenden erkennen in der Evaluation an, dass ihnen die Vorbereitungsphase Vorteile bietet.
- Sie bemängeln allerdings den Zeitaufwand und den Umfang des Lesestoffs.
- Die Studierenden kritisieren die verpflichtende Bearbeitung der Selbsttests. Bei einem zweiten Durchgang mit freiwilliger Bearbeitung wurden die Tests allerdings auch nur noch von etwa 50% der Studierenden bearbeitet und nur noch etwa 20% bearbeiteten sie vor der Vorlesung wie geplant.
- Das Konzept hat die Lehrenden insgesamt so gut überzeugt, dass es auch in zukünftigen Lehrveranstaltungen eingesetzt und weiterentwickelt werden soll.

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